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Gefälscht
Militärstrategen verdichten ihre Expertise häufig zu dem Satz, das erste Opfer jedes Krieges sei „bekanntermaßen“ die Wahrheit. Wer zur Quelle dieses Zitats gehen will, findet viele Väter, eine Mutter, mehrere Sprachen, unterschiedliche Datierungen. Orte, an denen die Wahrheit stirbt, sind Kampfzonen von Kompromat und Propaganda, wo Krieg nicht einmal Krieg heißen darf. Was stattdessen lebt, trägt Euphemismen wie „neue Realität“ oder „alternative facts“ und dient – der Geschichtsfälschung.
Doch wäre Orientierung an einer gemeinsamen, wahren Wirklichkeit überhaupt noch möglich in einer Welt von Fake News und Deep Fake, die als solche gar nicht mehr erkannt werden? Und trägt denn Fälschung als Technik nicht vieles zur Demokratisierung der (Marken-)Warenwelt bei? Kein Kunstmarkt ohne Beltracchis, ließe sich argumentieren. Höchste Zeit also – auch – für eine Verteidigung des Plagiats.
Im 18. Jahrhundert leistete sich Georg Christoph Lichtenberg den aufklärerischen Scherz, seine Leser und Leserinnen über einen Auktionskatalog zu informieren, dessen Unique Selling Proposition in der Bereitschaft bestand, das zu Gebot stehende Falschgeld aus Rücksicht auf die straffällige Klientel auch im Dunkeln zu verkaufen. Die Herbstausgabe der Zeitschrift wespennest hingegen will bei Licht betrachtet sein. Obschon auch darin vielleicht nicht alles ganz echt ist.
Außerhalb des Schwerpunkts begegnet uns Wahrheit in der Dichtung: mit Haiku, klassischem Sonett und freien lyrischen Formen formal besonders vielfältig. Die „Besprechung eines ungeschriebenen Buchs“ findet sich ebenso wie ein Gespräch mit dem somalischen Romancier Nuruddin Farah. Der Besprechungsteil tatsächlich geschriebener Bücher beschäftigt sich u.a. mit Traumnotizen, dem Essay als „guessay“und einer Graphic Novel zum Balkankrieg.
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Mit frei verfügbaren Übersetzungsprogrammen lassen sich selbst komplexe Satzkonstruktionen beeindruckend – oder erschreckend – gut übertragen. Thomas Eder konfrontiert eine viel gelobte Software mit einem „Holzwegsatz“ des US-amerikanischen Linguisten Thomas Bever und zeigt gewitzt ihre Grenzen auf. Hat die humane Textproduktion also doch eine Zukunft?
Am 13. April 2022 verstarb die italienische Fotografin Letizia Battaglia, die als Chronistin der sizilianischen Mafia unser Bild von der Cosa Nostra geprägt hat – inszeniert als Szenen eines Stücks mit klar umrissenen Rollen. Florian Baranyi rückt der Theatermetapher in Zeiten von Krieg auf den Leib.
Die Welt ist eine andere geworden – und dreht sich doch weiter. Während Russland den Krieg gegen die Ukraine unentwegt anfacht und viele Menschen auf der Suche nach einem sicheren Ort ihre Städte und Dörfer verlassen, gehen wir hier unbeirrt unserem Alltag nach. Ist das zulässig? Und kann die Beschäftigung mit Literatur etwas zum Verständnis der Situation beitragen? Lukas Meschik ringt mit einem bekannten Diktum Thomas Bernhards.
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|w182| Unzählig sind die Versuche, den Zufall zu lenken, denn als Schicksal etwa ist er zutiefst ungerecht. Für die Kunst jedoch bleibt er unerschöpfliche Quelle der Inspiration.
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|w181| Verzicht – das klingt nach Entbehrung und Krisenjahren. Doch solange wir es uns leisten können, auf etwas zu verzichten, ist die große Katastrophe noch nicht eingetreten.
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|w180| Lange Zeit galt als „normal“, was „natürlich“ war, also der Ordnung von Natur oder Vernunft entsprechend. Doch was kommt jetzt? Was erwartet uns in der „neuen Normalität“?
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wespennest 184 Zerbrechende (Un-)Ordnungen
Preis: EUR 14.00; erscheint am 05.05.2023
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